Tagesspiegel | 01.02.2023

 

Wer die Fehler der Chinesen ausbügelt

 

Wenn Swiss Clean Battery 2024 mit der Serienproduktion von Feststoffbatterien beginnt, vertraut SCB nicht auf chinesische Anlagenbauer, sondern auf ein Berliner Unternehmen. Dessen Ingenieure werden auch gerufen, wenn die Chinesen ihre Kunden hängenlassen. Jonas & Redmann liefert Maschinen für E-Mobilität, autonomes Fahren und Photovoltaik.

 

Eine Hochgeschwindigkeitsstanze schneidet Anoden in der gewünschten Größe für die Batterieproduktion. „Bei VW steht auch ein Laserschneider von uns“, sagt Lutz Redmann beiläufig, während er durch die Entwicklungs- und Montagehallen seines Unternehmens führt. „Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Die Stanze ist unempfindlicher als der Laser. Dafür verschleißt sie mechanisch und ist nicht so flexibel einsetzbar.“

 

Weiter geht’s zu einer Tiefziehanlage für Pouch-Zellen, die in E-Autos eingesetzt werden. Daneben stehen Anlagen, mit denen sich die Schichten in Batterien falten lassen. Andere sind dafür vorgesehen, die Zellen automatisch mit dem Elektrolyt zu befüllen.

 

In der Nachbarhalle wird gerade an einer Laseranlage getüftelt, die bei der Produktion von E-Motoren genutzt wird. Auch Teile, mit denen die Rekuperation von E-Autos gesteuert wird, und Lenkgetriebe für das autonome Fahren entstehen hier im Gewerbegebiet Berlin-Adlershof. Und den alten Geschäftsfeldern Photovoltaik und Medizintechnik bleiben Lutz Redmann und sein Mitgründer Stefan Jonas, beide Jahrgang 1961, bis heute treu.

 

Kunden wie VW, Bosch, Continental oder Vitesco

 

Sondermaschinenbau heißt die Sparte der beiden Ingenieure, die seit ihrer Kindheit befreundet sind. Hightech entsteht nicht nur in Schwaben oder im Münchner Umland, sondern auch in der Hauptstadt. Große Namen wie VW, Bosch, Continental oder Vitesco bauen auf den Erfindergeist und das Fertigungs-Know-how von Jonas & Redmann. Für Fabriken in Deutschland, Europa und den USA hat das Unternehmen Anlagen für die Batterieproduktion geliefert, außerdem für etliche Forschungseinrichtungen, zum Beispiel in Ulm und Braunschweig.

 

Während es dort aber überwiegend um Prototypen und Kleinserien ging, steigt Jonas & Redmann jetzt in die Großserie ein. Die Berliner rüsten eine Batteriefabrik in der Schweiz aus, in der das Unternehmen Swiss Clean Battery (SCB) ab 2024 einen neuartigen Feststoffakku produzieren will (Background berichtete (https://background.tagesspiegel.de/mobilitaet/neuer-festkoerperakkunicht-fuer-china)). Günther Hambitzer, der Erfinder der Zelle und Miteigner von SCB, kannte die Berliner Maschinenbauer und wusste um ihre Qualität. Er wollte ganz bewusst keinen Anlagenbauer aus China.

 

Jonas & Redmann hat die Zelle in all ihren Entwicklungsschritten bereits produziert und gemeinsam mit Forscher Hambitzer weiterentwickelt. „Die Technologie ist einzigartig“, schwärmt Lutz Redmann. Sorgen, dass bei der Serienproduktion noch etwas schiefgehen oder SCB das Geld ausgehen könnte, hat er nicht. „Es ist alles im grünen Bereich“, sagt er in seinem Büro und tätschelt seine Weimaraner-Hündin unter dem Tisch. Das Schöne an Hambitzers Zelle sei, dass die bekannten Maschinen nur um ein bis zwei „Spezialprozesse“ ergänzt werden müssten.

 

Den langjährigen Professor an der Universität Witten/Herdecke und die Maschinenbauer aus Berlin eint ein gehöriges Misstrauen gegenüber chinesischen Anlagenbauern. „VW und andere Autohersteller begeben sich da in eine gefährliche Abhängigkeit“, sagt Redmann. Viele Auftraggeber hätten jetzt „massive Probleme“. Er fährt fort: „Die Chinesen schicken nicht ihre besten Teams nach Europa. Sie kümmern sich nicht, wenn der Kunde es braucht, sondern erst dann, wenn sie Zeit haben.“

 

Chinas strategisches Ziel: weltweite Dominanz

 

Wer mit Anlagen aus China Batterien produziere, habe nicht zehn Prozent Ausschuss, wie offiziell verlautbart, sondern etwa die Hälfte. Unternehmen, die in China selbst sitzen, können sich das nach Redmanns Einschätzung nur deshalb leisten, weil dort das Material vom Staat bezuschusst wird und die Löhne sehr niedrig sind. „Dort wird alles dem strategischen Ziel untergeordnet: weltweite Dominanz.“

 

Oft genug bekommt Jonas & Redmann von Industrieunternehmen dringende Anfragen: „Schickt uns ein Team von Ingenieurinnen und Ingenieuren, um die Probleme zu lösen, die uns die Chinesen hinterlassen haben.“

 

Mit der Produktion von Batterien befasst sich das Unternehmen seit 2009, drei Jahre später kam die  Montageautomation im Auftrag verschiedener Autohersteller und Zulieferer hinzu. Während der Corona-Zeit mussten die Berliner mal wieder erkennen, wie wichtig es ist, die Geschäftsfelder zu diversifizieren. „Da hat die Autoindustrie extrem wenig investiert“, sagt Redmann. „Und die wenigen Aufträge wurden zu unterirdischen Konditionen vergeben.“

 

In der Not baute das Unternehmen etwa 20 Anlagen zur Produktion von FFP2-Masken für andere Hersteller. 50 Millionen Masken liefen auf den eigenen Maschinen vom Band.

 

Nach der Gründung wenige Tage nach dem Mauerfall 1989 – damals noch im West-Berliner Stadtteil Moabit – spezialisierten sich Stefan Jonas und Lutz Redmann zunächst auf Medizintechnik. Abnehmer waren renommierte Unternehmen wie Siemens, FMC und B. Braun. Später lieferten sie dem Modeunternehmen Hugo Boss ein spezielles Element für eine Textilmaschine. Der Auftrag über 300.000 D-Mark war damals Rekord – heute liegt der Jahresumsatz bei mehr als 60 Millionen Euro.

 

Den Absturz der Solarindustrie voll mitgenommen

 

Er betrug aber schon mal 120 Millionen Euro. Auch die Mitarbeiterzahl ist seit 2012 von 900 auf 450 abgestürzt. Grund ist der Aufstieg und Fall der Solarindustrie. Jonas & Redmann produzierte für die deutschen Anbieter Solon und Q Cells. Die Berliner rüsteten Fabriken in den USA und allen wichtigen asiatischen Industrieländern aus. Doch dann entstanden weltweit Überkapazitäten, der Preiskampf wurde ruinös, auch viele Maschinenbauer gingen pleite.

 

Jonas & Redmann musste 2013 und 2014 insgesamt 200 Leute „einvernehmlich freisetzen“, wie Redmann es ausdrückt. Einige davon habe er später wieder eingestellt. „Damals war es eine Frage des Überlebens – die schlimmste Zeit für das Unternehmen.“

 

Heute erlebt die Solarbranche auch in Europa eine Renaissance. Jonas & Redmann verkauft Maschinen an das schweizerische Unternehmen Meyer Burger, an Hanwha Q Cells in Bitterfeld und einen Produzenten auf Sizilien.

 

Mittlerweile suchen die Berliner wieder Mitarbeiter:innen. Allein 150 Entwickler:innen arbeiten in Adlershof. Das Firmengelände ist auf Zuwachs ausgelegt. Im Herbst 2020 ist das Unternehmen in das neue Gebäude eingezogen. Es wurde früher fertig als geplant und blieb im Kostenrahmen. Der Flughafen BER ist mit dem Auto zehn Minuten entfernt.