Die Welt | 10.10.2023

 

Ewiger Akku? Das große Versprechen der neuen deutschen Wunderbatterie

 

Bislang hemmt vor allem die kurze Lebensdauer von Stromspeichern die Verkehrs- und Energiewende. Doch nun will ein Bonner Unternehmen mit einer neuen Batterie genau dieses Problem gelöst haben. Die Autoindustrie hat bereits Interesse angemeldet.

 

Von Daniel Wetzel

 

Wenn es heute Zweifel an der guten Ökobilanz von Elektroautos gibt, dann hat das vor allem mit den Unzulänglichkeiten der Batterie zu tun: Die Akkus verlieren in der Regel schon nach rund 3000 Ladezyklen dramatisch an Leistung.

 

Das Wertvollste des Elektroautos, der Stromspeicher muss dann raus, ersetzt und recycelt werden. Die Verkehrswende geht so mit einem ungeheuren Energie-, Geld- und Ressourcenverzehr einher.

 

Weltweit forschen deshalb hunderte Wissenschaftlerteams an besseren Stromspeichern. Immer wieder wird irgendwo auf der Welt ein „Durchbruch“ in der Batterieforschung verkündet, der sich dann doch bald wieder als Flop erweist.

 

Dabei ist die Nachfrage groß, nicht nur in der Elektromobilität: Fotovoltaik-Anlagen auf Hausdächern haben sich auch in Deutschland millionenfach verbreitet – und praktisch jede Solaranlage wird heutzutage inklusive Batteriespeicher verkauft. Auch neben gewerblichen Solar- und Windparks entstehen in Deutschland immer mehr Batterieanlagen von industrieller Größenordnung, um den Saisonstrom so abzufedern, dass die Netze nicht überlastet werden.

 

Insgesamt, so haben Institute berechnet, müsste sich die Kapazität von Lithium-Ionen-Akkus weltweit bereits bis 2030 mehr als verzehnfachen, um die Energiewende-Ziele mit Ökostrom erreichen zu können. Doch weil Batterien einstweilen Wegwerfware sind, droht die Energiewende an einem gigantischen Ressourcen-, Recycling- und Entsorgungsproblem zu ersticken.

 

Nun ist womöglich eine Lösung in Sicht: Das Bonner Unternehmen High Performance Battery (HPB) jedenfalls behauptet, den Stein der Weisen gefunden – und einen neuen Feststoff-Akku zur Serienreife entwickelt zu haben, der fast alle Probleme des Stromspeicherns löst. „Wir sind überzeugt, dass wir den grünen Schlüssel zur Energiewende in der Hand halten“, sagt Sebastian Heinz, CEO und Verwaltungsratspräsident des Unternehmens.

 

Die Technik des HPB-Akkus basiert auf der 30-jährigen Grundlagenforschung des Fraunhofer-Wissenschaftlers Günther Hambitzer, der dem Unternehmen als Berater verbunden ist. Hambitzer gelang es, den Alterungsprozess herkömmlicher Lithium-Ionen-Akkus durch einen Cocktail neuer Inhaltsstoffe in der Batteriezelle zu stoppen.

 

Akku bildet dünne Deckschicht, die nicht wächst

 

Lithium-Ionen-Akkus altern, weil auf ihren Anoden durch Laden und Entladen eine Deckschicht entsteht. Diese wächst über Zeit und mit jedem Gebrauch umso schneller, je intensiver die Batterie genutzt wird. Dieses Wachsen der Deckschicht verbraucht Kapazität und erhöht den Innenwiderstand, die Leistung des Akkus nimmt ab.

 

Beim HPB-Akku bildet sich nur beim ersten Laden eine sehr dünne Deckschicht, die dann nicht mehr weiter anwächst. Egal, wie stark der Akku beansprucht wird, „der Innenwiderstand bleibt über die Lebensdauer hinweg quasi konstant“, wirbt das Unternehmen. Erfunden wäre so der ewige Akku, dessen Leistung auch nach Jahrzehnten nicht nachlässt.

 

Im Unterschied zu Ankündigungsweltmeistern der Branche kann HPB eine Serie von Prototypen vorzeigen: In einem Labor im pfälzischen Offenbach an der Queich wurden mehrere hundert Batteriezellen in Manufaktur hergestellt und getestet.

 

Die ersten Modelle haben bei stündlicher Be- und Entladung bereits 12.500 Ladezyklen ohne jeden Leistungsabfall hinter sich, sagt Thomas Lützenrath, Chief Operating Officer des Unternehmens. Herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus gehen schon bei einem Zehntel dieser Belastung in die Knie.

 

Eine technische Überprüfung der Angaben war den Journalisten bei einer
Laborbesichtigung Ende September nicht möglich. Doch der renommierte Freiburger Professor und Chemiker Ingo Krossing, der selbst seit Jahren in der Batterieentwicklung forscht, gibt der Entwicklung des Kollegen Hambitzer seinen Segen. Als er mit den Forschungsergebnissen konfrontiert wurde, sagt Krossing im Gespräch, „war ich total baff.“

 

Der HPB Festionenspeicher ist nicht entflammbar und zeigt auch deutlich weniger Temperatur-Empfindlichkeit als herkömmliche Batterien. Die Zelle zeige „noch bei minus 40 Grad Celsius eine absolut höhere Leitfähigkeit als herkömmliche Flüssig-Elektrolyte in deren Optimum bei plus 60 Grad Celsius“. Vorteil: Das bisher übliche Vorheizen der Autobatterie im Winter kann entfallen.

 

Für den Einsatz als Autobatterie muss der Leistungswert Wattstunde pro Kilo noch verbessert werden, sagt Krossing. Doch für stationäre Stromspeicher in Wallboxen oder an Solar- und Windparks sind die Akkus offenbar einsatzbereit.

 

Die Patente seien in 96 Staaten angemeldet, sagt HPB-Manager Heinz. Das Unternehmen Swiss Clean Battery (SCB) hat sich als erstes Unternehmen die Lizenzen für die Schweiz gesichert und ist nun auf Investoren-Suche. Ziel sei es, dort schon im kommenden Jahr die Serienfertigung zu beginnen und rasch zur Gigafactory auszubauen.

 

Bestätigen sich die Angaben, könnte für die Energie- und Verkehrswende vielleicht tatsächlich so etwas wie ein „Game Changer“ gefunden sein: Das Aggregat basiert zwar noch auf Lithium-Ionen-Technik, kommt aber völlig ohne Kobalt aus.